Crau, Steinsteppe im Süden Frankreichs

 

…als Herakles von einer Reise nach Spanien auf dem Rückweg durch Ligurien kam, wurde er von Dercynos und Ialebion überfallen. Die beiden Söhne des Meeresgottes Poseidon wollten ihm seine mitgeführten Schafe stehlen. Herakles setzte sich erfolgreich zur Wehr und tötete die beiden Brüder, jedoch tauchten kurz darauf ligurische Krieger unter der Führung eines weiteren Sohnes Poseidons auf. Der wollte natürlich den Tod seiner Brüder rächen. Dieser Übermacht konnte der tapfere Herakles nicht lange trotzen und nachdem er alle seine Pfeile verschossen hatte, warf er sich enttäuscht und wütend auf die Knie, denn auf dem weichen Boden fand er nichtmal einen Stein zu seiner weiteren Verteidigung. Göttervater Zeus hatte Mitleid mit ihm und schüttete aus einer Wolke einen gewaltigen Steinregen hernieder. Mit dieser Munition gelang es Herakles schließlich doch, seine Gegner zu besiegen…noch heute kann man die Reste dieses Steinregens sehen…in der Steinsteppe der Crau.

Im Süden Frankreichs, nordöstlich der Camargue. liegt die Crau, eine faszinierende Landschaft, die ihre Geheimnisse erst preisgibt, wenn man geduldig immer wieder kommt und sehr, sehr vorsichtig ist. Die Crau zeichnet sich durch eine große Artenvielfalt aus, die allerdings im Verborgenen lebt. Einer intensiveren Nutzung durch den Menschen hat sie sich lange widersetzt, und so wurde sie überwiegend als Schafweide genutzt. Jetzt ist sie allerdings durch die immer näher rückende Landwirtschaft stark gefährdet.

 

Neben einer Vielzahl an bedrohten Pflanzen- und Insektenarten beherbergt die Crau die einzige bekannte Spießflughuhnpopulation Frankreichs. Weitere ornithologischen Besonderheiten sind Kurzzehenlerche, Rötelfalke, Zwergtrappe, Triel und die Kalanderlerche

und bei den alten Schafställen sind oft Steinkäuze anzutreffen,

…auch Rot- und Schwarzmilan sind regelmäßig zu sehen.

Rotmilan

 

Schwarzmilan

 

Schlangenadler (captive)

und mit etwas Glück kann man auch den Schlangenadler sehen, allerdings meist nur im Flug.

Einer der Gründe, derentwegen ich hierher gekommen bin war der, daß ich versuchen wollte, die hier zu findende Perleidechse zu photographieren, die mit einer Gesamtlänge von bis zu 70 cm die größte europäische Eidechsenart ist. Allerdings war das bislang längste Exemplar, das ich dort entecken konnte mit geschätzten 50 cm deutlich kleiner.

 

Bis in das letzte Jahrhundert hinein war die Crau eine von vielen Steinsteppen, die sich an der Mittelmeerküste entlang zogen. Alle entstanden durch Ablagerungen von Geröll und Schotter großer Flüsse, im Falle der Crau d´Arles war dies die Durance, die nach der letzten Eiszeit ihren Lauf änderte. Dadurch fielen die Schotterflächen trocken und die Crau entstand. Die Crau d’ Arles ist der einzige größere zusammenhängende Rest dieser steppenartigen Landschaften und sie beherbergt eine Vielzahl an spezialisierten Tieren und Pflanzen. Zweien dieser besonderen Schätze war ich mit der Kamera auf der Spur, der Perleidechse und dem Triel.

Die Fotografie der Perleidechsen ist nicht ganz leicht, denn in der flachen Landschaft der Crau können diese Reptilien, die eine Fluchtdistanz von über 100 Metern haben, den aufrecht gehenden Menschen aus ihrer Perspektive schon von weitem sehen und sind dann verschwunden, bevor dieser sie überhaupt bemerkt hat. Hinzu kommt, daß die Crau nur im Gebiet „Peau de Meau“ zugänglich für Besucher ist, und auch hier ist das Verlassen der Wege streng verboten. Ich konzentierte also meine Suche auf die im zweiten Weltkrieg errichteten Steinhaufen in der Nähe der Wege und suchte diese Haufen aus sehr großer Distanz mit dem Spektiv ab, und nach einigen Tagen fand ich tatsächlich einen Steinhaufen, der einer Perleidechse gleichzeitig als Versteck und Sonnenterrasse diente, und der auch in Fotoentfernung zum Weg lag.

Am nächsten Morgen war ich vor Sonnenaufgang zur Stelle und richtete mich dort hinter einem flachen Sichtschutz ein: das 500er mit 1,4fach Konverter auf dem Stativ, und dann hieß es warten, warten, warten.

Meine Rechnung ging auf und kurz nach Sonnenaufgang erschien die Echse,…

…um sich in der Sonne zu wärmen und nach der doch recht kühlen Nacht in der Ebene auf „Betiebstemperatur“ zu kommen. Hat sie diese ersteinmal erreicht, dann sind die Chancen für Fotos wesentlich schlechter, denn dann macht sie sich auf die Jagd und kehrt nurnoch sporadisch zu ihrer Behausung zurück. Genauso lief es auch bei diesem Exemplar, denn nach etwa zwei Stunden war sie im Coussous verschwunden. Bevor sie sich verdrückte, konnte ich einige Aufnahmen von ihr machen, allerdings galt es hierbei, sich trotz der Tarnung möglichst vorsichtig und lautlos zu bewegen. Daß die Tiere sehr empfindlich sind, was Bewegungen betrifft, hatte ich erwartet, aber daß sie sogar auf das Auslösegeräusch meiner Kamera reagierte, hat mich doch etwas überrascht.

Besonders bei den ersten Aufnahmen sicherte die Echse sehr aufmerksam mit erhobenem Kopf in meine Richtung, so daß ich immer nur einzelne Aufnahmen machen konnte. Zum Glück hatte ich meine alte Minolta 9000 dabei, mit der es sich auch ohne Motorantrieb fotografieren lässt. Nach einer Weile schien die Eidechse allerdings davon überzeugt zu sein, daß dieses sporadische Klicken in ihrer Nähe nichts zu bedeuten hätte. Trotzden blieb ich weiter sehr vorsichtig. Nachdem das Tier sich auf die Jagd machte und verschwand, zog ich mich so flach und so weit wie möglich zurück, bevor ich mich aufrichtete, denn ich hatte irgendwie das Gefühl, das Reptil könnte mich doch noch beobachten.

Ich war glücklich über die Bilder und gleichzeitig auch darüber, aus der doch recht unbequemen Haltung auf den harten Steinen und unter der inzwischen brennenden Sonne erlöst zu sein.

Hatte ich die Perleidechsen doch ganz gezielt aufgesucht, so war meine Begegnung mit den Trielen der Crau eher zufällig. Zwar hatte ich sie schon oft rufen gehört, aber zu Gesicht hatte ich erst einmal einen auf sehr große Distanz bekommen.
Die Triele sind etwas seltsame Vertreter der Watvögel, denn sie sind erstens nachtaktiv und zweitens an das Leben in Trockengebieten angepasst, was doch eher überraschend für Limikolen scheint.

Aufgrund ihrer perfekten Tarnung sind die Triele sehr schwer zu entdecken und nur am Abend und in der Nacht, wenn sie ihre melancholischen Rufe hören lassen, kann man feststellen, wo sie sich aufhalten. Der Reviergesang ertönt meist in den Abendstunden (oder auch nachts ) und kann – mit kurzen Unterbrechungen – die ganze Nacht über andauern. Die größte Gesangsintensität wird meist erst in den frühen Morgenstunden erreicht, und ich konnte die Rufe genießen, während ich auf die Perleidechse wartete. Er ist ein melodisches, etwas wehmütig klagendes, hohes Flöten, das sowohl auf dem Boden als auch im Fluge vorgetragen wird. Dieser Ruf trägt über eine ziemlich große Entfernung und erinnert ein wenig an die Rufe des Großen Brachvogels. Recht häufig kann man auch mehrere Männchen gleichzeitig rufen hören. Wenn ich an die Crau denke, fallen mir als erstes immer diese Rufe ein, die für mich zu dieser eigentümlichen Landschaft gehören, wie der an mehr als 100 Tagen des Jahres wehende Mistral. Dieser kühle und trockene Nordwind kommt mit bis zu 150km/h das Rhônetal heruntergefegt und kann Temperaturstürze von bis zu 10° C mitbringen. Gleichzeitig fegt er die Wolken hinweg und erhöht so die Zahl der Sonnenstunden in diesem Gebiet. Auch beim fotografieren ist er ein nicht zu unterschätzender „Wackelfaktor“, so daß das verwendete Stativ schon recht stabil sein sollte.

Der Triel ist ein kompakter, hochbeiniger etwas über taubengroßer Vogel. Die Grundfärbung des Gefieders ist sandfarben mit einer dunklen, besonders auf Hals und Brust auffälligen Strichelung. Die Unterseite des Vogels ist hell. Triele haben einen großen Kopf mit ebensolchen Augen. Diese großen Augen mit der auffallenden, gelben Iris sind ein Hinweis auf die nächtliche Lebenweise dieser Vögel. Die Geschlechter sind weder an der Größe, noch an der Gefiederfärbung zu unterscheiden.

Ich entdeckte „meine“ Triele zufällig in einem Randbereich der Crau, etwa zehn Meter entfernt von einer Straße. Dort saß einer der beiden Vögel inmitten des spärlichen Bewuchses und vertraute voll und ganz auf sein Tarngefieder.

Ich hatte ihn auch nur dadurch entdeckt, daß ich unter einem Feigenbaum, der an der Staße wuchs eine kleine Rast eingelegt hatte, während der ich wohl so still gesessen haben muß, daß der Vogel meine Anwesenheit vergaß und sich erhob, so daß ich ihn sehen konnte. Nachdem ich den Triel eine Weile beobachtet hatte, beschloß ich, hier im Schutze des Feigenbaumes am nächsten Morgen mein Versteckzelt aufzustellen. Ich tat dies wie immer noch bei Dunkelheit und wartete dann auf das erste Tageslicht. Als die Sonne über dem Horizont auftauchte, dauerte es eine ganze Weile, bis ich den Vogel gefunden hatte. Es saß zwar dort, keine 10 Meter von mir entfernt, und ich hatte ihn auch vor kurzem noch rufen gehört, aber seine Tarnung war einfach perfekt,…

… so daß ich ihn erst entdeckte, als ein zweiter Vogel sich langsam und auffallend vorsichtig näherte. Immer näher kam der Triel, auf einem seltsam bogenförmigen Weg, immer wieder unterbrochen von Picken am Boden und kurzem Stehenbleiben. Er kam direkt auf mich zu und ich war so vertieft in sein seltsamen Gebaren, daß ich völlig vergaß, auf den Auslöser zu drücken, bis er so nah war, daß ich mich trotz Blimp nicht mehr traute. Er war jetzt nur noch etwa drei oder vier Meter von mir entfernt. Irgendetwas war hier merkwürdig…ich hatte ein ganz komisches Gefühl, aber ich war mir auch ganz sicher, daß der Triel mich nicht bemerkt hätte, würde er sonst so dicht vor mir stehen?

Plötzlich klärte sich alles auf: vor meinen Augen erhob sich ein zweiter Vogel, der offenbar schon die ganze Zeit über dort gesessen hatte, fing ebenso an, am Boden herumzupicken und entfernte sich langsam, wie zufällig, während der andere Vogel seinen Platz einnahm. Ich war mir nun ziemlich sicher hier ein brütendes Paar vor mir zu haben und das oben geschilderte seltsame Verhalten war offenbar die bei Trielen übliche Zeremonie der Ablösung am Nest, die diese Vögel wie „zufällig“ inszenieren, damit potenielle Nesträuber nicht auf sie aufmerksam werden.
Nun saß ich schön in der Klemme, denn ich wollte auf keinen Fall die Vögel bei ihrem Brutgeschäft stören. Nun hockte ich aber schon hier, und ein sofortiger Abbruch hätte sicherlich für ziemliche Aufregung bei den Beiden geführt. Was also tun? Ich beschloß, da die Vögel sich offensichtlich durch meine Anwesenheit nicht gestört fühlten, solange im Zelt zu bleiben, bis ich eine Möglichkeit finden würde, mich unauffällig zu verdrücken. Ich konnte nicht ahnen, wie lange das dauern würde…

In der Zwischenzeit, wollte ich dann doch das eine oder andere Foto schießen. Ich konnte nun im Verlaufe dieses Tages die Triele wiederholt bei der Wachablösung beobachten, die immer auf die gleiche, heimliche und vorsichtige Weise von statten ging. Ab und zu konnte ich auch einen ganz kurzen Blick auf die zwei Eier erhaschen… und fühlte mich gleich wieder schuldig. Auch eine besondere Beobachtung konnte ich machen: bei der Ablösung nahmen beide Tiere, zum Teil noch während sie am Boden saßen, kleine Steinchen auf und warfen sie mit einer seitlichen Kopfbewegung hinter sich. Der Zweck dieser Übung ist mir allerdings bis heute nicht ganz klar. Vielleicht wollen die Tiere hiermit einfach den Eindruck erwecken, mit irgendetwas anderem sehr beschäftigt zu sein, damit ja niemand auf die Idee kommt, hier könnte einer den anderen beim Brutgeschäft ablösen.

Der Leser wir es möglicherweise schon ahnen: dadurch, daß wirklich immer einer der beiden Vögel auf dem Nest saß, war ich tatsächlich den ganzen Tag im Zelt festgenagelt und konnte erst nach Einbruch der Dunkelheit dasselbe abbrechen. Das war ziemlich anstrengend, besonders, als es im Tagesverlauf im Zelt recht warm wurde. Ich war froh, daß ich wenigstens etwas Schatten unter dem kleinen Feigenbaum hatte, und über die fotografisch unergiebige Mittagszeit, während der der Triel auf seinem Nest döste, versuchte ich dasselbe, sogut es eben ging in meinem kleinen Versteck.

Trotz dieser Anstrengung, war es auch etwas ganz Besonderes für mich, einen ganzen Tag lang diesen komischen Watvögeln so nah zu sein. Ich habe übrigens einige Tage später einen der Altvögel mit einem der beiden Küken etwas weiter von der Staße entfernt gesehen, wo sie dann aber recht schnell wieder verschwanden.
Wenn wir unseren nächsten Urlaub in Südfrankreich verbringen, dann wird die Crau d´Arles garantiert wieder auf meinem Besuchsprogramm stehen, den dieser eigentümliche, besondere Lebensraum hat sicher mehr Aufmerksamkeit verdient.

Blühender Affodil

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Weitere Fotostrecken finden Sie im Inhaltsverzeichnis

Sie betreiben eine eigene Webseite?

Ich würden mich freuen, wenn Sie das Wort Camargue auf Ihrer Seite mit http://www.camargue-photos.de verlinken.

10 Comments

  1. Anonymous
    17. August 2006

    Deine Steinkauz-, Perleidechsen- und Trielfotos sind bewundernswert! Neben Ausdauer und Geduld muss man schon einiges an Kenntnissen haben, um derartige Fotos schießen zu können. Ich bin beeindruckt und zugleich froh darüber, dass ich deine schöne Seite entdeckt habe! LG Hawi

    Antworten
  2. Carmen
    25. Mai 2007

    Absolut genial diese Aufnahmen. So gestochen scharf. Bin wirklich begeistert! Bewundere auch Deine Geduld, aber sicher ist die Freude um so größer, wenn man dann solche Aufnahmen im Kasten hat.
    Viele Grüße
    Carmen

    Antworten
  3. Wüthrich Kurt
    2. Dezember 2007

    Herrliche Aufnahmen aus der Crau. Fantastisch auch diese Perleidechse. Ich bin schon lange dabei, sie zu finden in Südfrankreich. Bis jetzt hatte ich noch keinen Erfolg. Dieses Jahr werde ich es wieder versuchen, vielleicht auch mal in der Crau.

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  4. Ingo Gerlach
    18. Januar 2008

    Herrliche Fotos. Habe wieder Lust auf die Camargue bekommen. War dort vor ca. 20 jahren.

    Antworten
  5. andreas
    18. Januar 2008

    Na dann Ingo, nix wie hin…

    Gruß
    Andreas

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  6. Liane H.
    19. April 2008

    Die Fotos machen richtig Lust auf einen Besuch in der Camargue; waren das letzte Mal vor 8 Jahren da. Ich hoffe, das wir es schaffen wenigstens 3 Tage vor unserem bereits gebuchten Urlaub in Six-fours-les-Plages dort zu verbringen.

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  7. barbara
    25. Mai 2009

    so ein schöner bericht über familie triel!

    Antworten
  8. Marie51
    6. Juni 2011

    Bonjour !

    C’est avec grand plaisir que je vais mettre votre site en lien avec le mien. Tout comme vous j’adore la Camargue où j’ai passé de nombreuses vacances en famille.

    Quelques corrections en „français“ s’imposent, que je serai ravie de vous offrir pour améliorer votre site. Prenez contact avec moi que je vous les adresse rapidement, corrigés.

    Vous avez fait un très bon travail et vos photos sont magnifiques !

    Bises

    Marie51

    Antworten
  9. Hohmann
    8. März 2015

    Hallo!

    Tolle Bilder, ich hätte auch mal Lust, wieder in die Camargue zu reisen

    War vor über 30 Jahren mit meinen Eltern dort.
    Da ich fast nur noch in die USA reise, kam ich leider nicht mehr nach Frankreich.
    Ich stelle mir auch die Verständigung dort schwer vor.
    Ich kann leider kein Französisch.

    Beste Grüße

    Rolf

    Antworten
    1. andreas
      8. März 2015

      Hallo Rolf,

      Französisch kann man lernen, zumindest so viel, daß es für den (Neu-)Anfang reicht, und der Rest kommt dann mit Unterstützung dazu. Es lohnt sich!

      Gruß
      Andreas

      Antworten

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